Menschen mit psychischen Problemen arbeiten im Sozialkaufhaus und in der Montage
ViaNova der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg in Buchholz ebnet den Weg ins Berufsleben
Psychische Erkrankungen sind in der Gesellschaft hierzulande gegenwärtiger als noch vor Jahren. Diesen Trend bestätigt Marc Wolter, Leiter der ViaNova, einer Werkstatt der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in Buchholz/Nordheide. „Die Nachfrage nach unseren Angeboten steigt“, sagt Marc Wolter.
Die ViaNova wurde Ende 2006 als erste Werkstatt im Landkreis Harburg für Menschen mit psychischen Erkrankungen gegründet und bietet einen integrativen Berufsbildungsbereich sowie längerfristige Arbeitsplätze an. Das Angebot richtet sich an Personen, die zurzeit aufgrund psychischer Beeinträchtigungen oder einer chronischen psychischen Erkrankung ihrer Berufstätigkeit nicht nachgehen können. Es ist jedoch auch für Menschen gedacht, die aufgrund ihrer psychischen Beeinträchtigung eine Ausbildung abgebrochen oder diese noch nicht begonnen haben. „Wir fangen die Menschen auf und ermöglichen ihnen die für sie wichtige Teilhabe am Arbeitsleben“, so Marc Wolter.
In der Montage und einem Sozialkaufhaus in der Zunftstraße 5 im Gewerbegebiet an der Bundesstraße 75 sind aktuell 23 Frauen und Männer im Alter von 18 bis 63 Jahren aus dem Landkreis Harburg beschäftigt. „Sie können sich bei uns ausprobieren und eigene Fähigkeiten für bestimmte Berufe entdecken“, sagt Stefan Aljes, in der ViaNova zuständig für den Berufsbildungsbereich und das Sozialkaufhaus find' was. Ziel sei es, die Werkstattbeschäftigten auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt fit zu machen. „Wir arbeiten die Ressourcen der Menschen heraus, wobei niemand etwas tun muss, was ihm nicht liegt“, erklärt Marc Wolter. Vielmehr gehe es darum, herauszufinden, was der Einzelne kann und diese Fähigkeiten zu nutzen. „Auf die individuelle Begleitung kommt es an, denn hinter jedem Beschäftigten steht eine individuelle Lebens- und Erfahrungsgeschichte“, ergänzt Stefan Aljes.
Ihm und Marc Wolter ist es wichtig, keine Beschäftigungstherapie, sondern sinnvolle und produzierte Arbeit anzubieten und dem Tagesablauf der Beschäftigten eine Struktur zu geben: „Das ist wesentlich für die Gesundung der Menschen.“ Denn viele, die zur ViaNova kommen, sind aufgrund ihrer vorherigen Arbeit krank geworden. Sie leiden unter Depressionen oder Ängsten. Andere Beschäftigte sind von den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas nach einem Unfall beeinträchtigt. Noch andere wiederum haben viele Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter sich, weil sie beispielsweise an Persönlichkeitsstörungen erkrankt sind. „Mit der Arbeit bei uns soll die Reduzierung auf die Erkrankung durchbrochen werden“, so Aljes und Wolter.
In der Montagehalle schneidet die Werkstattbeschäftigte Anna-Lena Gummidichtungen für Fensterrahmen für ein Unternehmen in Marxen zu. Die Arbeit macht ihr Spaß, sagt sie. Der ViaNovaLeiter erklärt, dass die Dichtungen individuell nach Kundenwunsch gefertigt werden. „Wir haben auch die Möglichkeit, Dichtungen für die Automobilindustrie zuzuschneiden, die beispielsweise in Kofferräume eingebaut werden“, zeigt er die Flexibilität der Werkstatt und ihrer Beschäftigten auf. Wie zum Beweis wechselt Anna-Lena an einen anderen Werktisch für die Elektromontage, um dort LED-Schaltrelais für eine Firma in Klecken zu montieren. „Die LED-Treiber werden im Schiffbau für Transport- und Kreuzfahrtschiffe benötigt“, berichtet Marc Wolter. So strahlt der Speisesaal auf dem Traumschiff Aida auch dank der LED-Treiber, die die ViaNovaBeschäftigten in Buchholz zusammengesetzt haben. Zudem verpacken und etikettieren die Beschäftigten Filter und Angelzubehör für ein Unternehmen aus Hamburg und Tostedt sowie Dinge des alltäglichen Lebens. „Wir haben noch Kapazitäten frei“, wirbt Marc Wolter um neue potenzielle Kunden. In Planung sei überdies ein IT-Bereich.
Im Sozialkaufhaus find' was, gleich neben der Montagehalle gelegen, beschriften die Beschäftigten Monika und Stephan Preisschilder, während eine ältere Dame in der Geschirrecke stöbert. Das Sozialkaufhaus, in dem es gut erhaltene Dinge aus zweiter Hand gibt, hat außerdem Möbel, Haushaltswaren, Kinderartikel, Ölgemälde, Kleingeräte, Plattenspieler und Schallplatten, CDs, Kassetten, Lautsprecher, Fernseher und jede Menge Bücher im Angebot. „Immer mal wieder können wir Unikate und Antikes anbieten“, sagt Stefan Aljes. Das Kaufhaus ist auf Sach- und Möbelspenden angewiesen und liefert Ware gegen eine kleine Gebühr aus. Marc Wolter: „Über Sachspenden schaffen wir Arbeit für Menschen mit einer psychischen Erkrankung,“ freut sich Marc Wolter und erklärt, dass die Beschäftigten im Sozialkaufhaus über Kundenkontakte Hemmschwellen und Unsicherheiten abbauen. „Durch die Tätigkeit wird die Leistungs- und Erwerbsfähigkeit erhalten, wiedergewonnen und weiterentwickelt.“
Von Vorteil sei, dass das Sozialkaufhaus in einem wirtschaftlich pulsierenden Gewerbegebiet in direkter Nachbarschaft zu großen Möbelhäusern, Elektromärkten, Baumärkten und Supermärkten liege. „So findet die Arbeit mitten im Leben statt und nicht im Verborgenen“, sagt Marc Wolter.
Wer dem Sozialkaufhaus find' was etwas spenden oder Kontakt zur ViaNova aufnehmen möchte, kann sich telefonisch bei Marc Wolter unter der Telefonnummer (04181) 9697611 melden.
Übrigens: Die ViaNova ist nach DIN ISO 9001:2008 zertifiziert.
März 2014