Schauspieler mit Behinderung auf internationaler Bühne
Weltenbrecher der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg bieten Zuschauern beim Bodensee-Festival eindrucksstarkes Theatererlebnis
Das Theater-Ensemble Weltenbrecher der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg ist eingeladen, auf internationaler Bühne zu spielen. Die Schauspieler, sechs Frauen und fünf Männer mit Behinderung, gastieren nach dem erfolgreichen Auftritt im vergangenen Sommer bei den Theatertagen europäischer Kulturen in Paderborn nun am Bodensee. In Friedrichshafen finden vom 9. bis 13. April die Theatertage am See statt. Am Sonnabend, 12. April, zeigen die Weltenbrecher ihre Eigenproduktion „Wo der Pfeffer wächst“, für das sie schon in Paderborn als erste und einzige Amateurtheatergruppe mit Beeinträchtigungen gefeiert wurden. Zudem wurde das Stück im Theater Lüneburg gezeigt. Auszüge wurden auf Festivals und Veranstaltungen gespielt.
Das Bodensee-Festival gilt als größtes Amateurfestival in Europa und feiert dieses Jahr seinen 30. Geburtstag. „Wir sind voller Vorfreude und fühlen uns geschmeichelt, ausgesucht worden zu sein unter vielen hochkarätigen Bewerbern. Außerdem sind wir noch nie so weit gereist“, sagt Stefan Schliephake, der Leiter des Ensembles. Er berichtet, dass 70 Gruppen sich für die Teilnahme an dem renommierten Festival beworben hatten.
Lebensträume von der eigenen Wohnung bis zum Job als Fußballmoderator stehen im Mittelpunkt einer sensibel inszenierten Collage der Theatergruppe in dem Stück „Wo der Pfeffer wächst“. Mit viel Witz, Eigenironie und ihrer Bühnenpräsenz zeigen die Darsteller mit geistiger Behinderung, dass sie künstlerisch ernst zu nehmen sind – und es auch werden. „Die Theaterbühne ist ein Medium, das die große Chance bietet, Barrieren im Kopf der Zuschauer abzubauen, die sich mangels der täglichen Auseinandersetzung mit Menschen mit Behinderung aufgebaut haben“, sagt der Sozial- und Theaterpädagoge Stefan Schliephake. Der Auftritt der Weltenbrecher wirkt, das Publikum verändert seine Sehgewohnheiten, so die Erfahrungen bei den vergangenen Aufführungen. „Die Zuschauer schauen hin und lachen, auch wenn sie in den ersten 15 Minuten immer etwas verkrampft sind, und gar nicht wissen, ob sie überhaupt hinschauen und lachen dürfen.“
Die Weltenbrecher gibt es seit 2006. In der Arbeitszeit haben die Beschäftigten zweieinhalb Stunden pro Woche die Möglichkeit, eigene Theaterstücke zu verwirklichen. Die Schauspieler arbeiten in der Montage, einer Verteilerküche, im Lager, in der Wäscherei, der Mechatronik und am Empfang der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg. Mit den Möglichkeiten aus Schauspieltraining und Theaterpädagogik findet eine intensive Auseinandersetzung statt. Der Spieler selbst, das Ensemble und das künstlerische Ergebnis stehen im Mittelpunkt. „Das bringt den Darstellern riesige Anerkennung. Das Selbstwertgefühl der Gruppe und das Selbstbewusstsein jedes einzelnen Ensemblemitgliedes steigt mit jedem Auftritt“, berichtet Stefan Schliephake. Die Theatergruppe der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg hat inzwischen Vorbildfunktion für das Schauspiel von Menschen mit Behinderung. So ist Stefan Schliephake zum Berater Inklusion im Vorstand des Bund Deutscher Amateurtheater ernannt worden. „Wir haben bei den Theatertagen in Paderborn Neuland betreten. Das hat uns viele Türen geöffnet“, erzählt er. Und so ist das bevorstehende Gastspiel beim Festival am Bodensee auch nicht das einzige neue Projekt der Weltenbrecher. „In Paderborn haben wir einen Regisseur aus Kroatien kennengelernt. Mit ihm planen wir eine gemeinsame Produktion“, blickt Stefan Schliephake in die Zukunft. Es gehe darin um Tanztheater, aufgeführt von Menschen mit Behinderung. „Der Regisseur ist auf diesem Gebiet Pionier in Kroatien“, so Stefan Schliephake. „RespACT!“ soll das künftige Stück heißen, für das bereits Förderanträge gestellt wurden.
Kontakt:
Stefan Schliephake
Fon (04131) 9284317